.

4. November 2020

Die Fährtenleser - 20 Jahre Eberhard Köstler Autographen & Bücher oHG

Ein Artikel von Sabine Bader in der Süddeutschen Zeitung:

Wer das schafft, kann sich glücklich schätzen: Den Eheleuten Barbara van Benthem und Eberhard Köstler ist es gelungen, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Die beiden Antiquare haben sich auf den Vertrieb von Autographen spezialisiert, also handgeschriebenen Briefen von bekannten Persönlichkeiten. In diesem Jahr können sie in Tutzing bereits ihr 20-jähriges Firmenbestehen feiern.

"Jedes Stück gibt es nur einmal, und sie alle geben Einblicke in die Persönlichkeit des Schreibers", sagt Köstler. Seine Frau veranschaulicht dies anhand eines Beispiels: "Man kann noch so viele Bücher über Bertolt Brecht und die Frauen lesen, bekommt man aber einen Brief von ihm an die dänische Schauspielerin Ruth Berlau in die Hand, kann man das, was man in der Biografie gelesen hat, nachvollziehen." Es sind die kleinen Einblicke ins Privatleben von Schriftstellern, Malern und Komponisten, die die Arbeit der Eheleute so spannend macht. Zwei Fährtenleser auf Entdeckungstour. "Man erlebt jeden Tag schöne Überraschungen", sagt die 57-Jährige.

Von Arbeit wollen die Eheleute im Zusammenhang mit ihrem Beruf ohnehin nicht sprechen. "Das ist doch gar keine Arbeit", protestiert der 63-jährige Köstler prompt. Ein Ankauf um 22 Uhr, das kann schon vorkommen. Und neulich haben sie glatt ein ganzes Wochenende darüber gefachsimpelt, ob Arnold Schönberg Minderwertigkeitsgefühle hatte oder nicht. Auf den Gedanken waren sie über Schönbergs Korrespondenz im Zusammenhang mit einem Konzert zu Ehren Albert Einsteins in der New Yorker Carnegie Hall gekommen.

Auf dem Klavierhocker im Esszimmer der Tutzinger Eheleute steht eine Schachtel. "Unbekannte Flugobjekte" nennen sie Kisten wie diese mit Briefen und Handschriften, deren Verfasser sie erst näher sichten müssen. Kartons dieser Art sind selten und stammen entweder aus Sammlungsauflösungen, Nachlässen oder Archiven. Wenn man Glück hat, findet sich darin die ein oder andere spannende Rarität - wie hier zum Beispiel ein Brief von Cosima Wagner. Im Normalfall kaufen Köstler und van Benthem aber sehr gezielt ein - meist zum Weiterverkauf, teilweise fungieren sie aber auch als Vermittler.
 
Seit bald 20 Jahren tüfteln die beiden nun Arbeitszimmer an Arbeitszimmer in ihrem Tutzinger Privathaus und entziffern Handschriften, rekonstruieren Werdegänge, Hintergründe, Beziehungen und tauchen dabei ein in andere Leben. Da war zum Beispiel ein undatierter Brief von Bertolt Brecht an seinen Schulfreund, den deutsch-österreichischen Bühnenbildner Caspar Neher. Bei ihren Recherchen haben die Eheleute herausgefunden, dass dies der erste Brief Brechts nach seiner Rückkehr aus dem Exil nach Berlin war. "Unsere Kunden haben oft nicht so viel Zeit, um Buchstabe für Buchstabe zu entziffern", sagt Köstler.

Längst führen die beiden ihren Versandhandel gemeinsam. Ist der Inhalt eines Briefes erst einmal entschlüsselt, wird er für den Kunden aufbereitet und auf säurefreiem Papier ausführlich beschrieben. Dies alles ist trotz ihres Fachwissens nur möglich, weil die beiden Antiquare über eine umfangreiche Fachbibliothek verfügen - natürlich nicht daheim in ihrem Wohnhaus, sondern ein paar Straßen weiter, nahe der Tutzinger Kirche Sankt Joseph.

Wer jetzt meint, das Antiquariat besuchen zu können, der irrt. Es ist kein richtiges Ladengeschäft mit Öffnungszeiten, obwohl die Werke penibel sortiert und aufgereiht in den deckenhohen Regalen zum Schmökern einladen. Doch die rund 10 000 alphabetisch geordneten Bände dienen den Eheleuten ausschließlich als Nachschlagewerke für die Recherche. "Wir garantieren auch lebenslang für die Echtheit der Dokumente", sagt van Benthem. "Nichts verlässt unerforscht das Haus."
 
Die Eheleute nennen dies "veredeln". Es versteht sich von selbst, dass die beiden alle wertvollen Schriftstücke nicht bei sich im Haus lagern, sondern sicher im Banktresor aufbewahren. Ist ein Brief von Thomas Mann, Bertolt Brecht, Franz Liszt, Richard Wagner, Lyonel Feininger oder Joan Miró erst einmal veredelt, wird er mitsamt Beschreibung und Echtheitszertifikat fein säuberlich verpackt, und es geht auf die Post. Alle Bestellungen sind selbstverständlich versichert. Versandt wird weltweit, Vorkasse gibt es bei den beiden nicht. "Wir vertrauen unseren Kunden", sagen sie. In der Regel kennt man sich, entweder von Korrespondenzen und Telefonaten oder auch persönlich von Antiquariatsmessen in Stuttgart und Paris oder von Auktionen. "Mit manchen Kunden wird man gemeinsam alt", sagt Köstler. Vertrauen ist wichtig in diesem Geschäft. Schließlich geht es um stattliche Summen.

Wer ein besonders rares Stück erwerben möchte, muss schon einige 10 000 Euro hinblättern. Und das ist noch nicht einmal die oberste Preisklasse. Bei Mozart oder Bach kann es in die Millionen gehen. "Wir sind nicht im High-End-Bereich tätig", sagt Köstler. Aber auch ein handgeschriebenes Notenblatt von Richard Strauss ist für Sammler so interessant, dass es gleich verkauft ist. Zu den Käufern zählen nicht nur Stammkunden, manchmal fragen auch Kinder und Enkel an, für die Briefe von Eltern und Großeltern als Erinnerungsstücke von Bedeutung sind. Oder ein Kunstsinniger leistet sich als Geschenk für einen Freund eine handsignierte Autogrammkarte. Für Letztere muss man um die 50 Euro ausgeben.

Vielen Leuten sind sie noch ein Begriff, die hauchdünnen Seiten der "Merkhefte" des Verlags Zweitausendeins, in denen eine wilde Mischung aus Büchern, Platten, Plakaten und Buttons versammelt war. Längst haben sie Kultstatus erlangt. Wer einen der monatlichen Kataloge mit Briefen und Manuskripten der Tutzinger Antiquare in Händen hält, fühlt sich zumindest haptisch an sie erinnert. Die Kataloge enthalten Angebote für Kunden. Es gibt aber auch einen Online-Shop auf der Webseite und einen Newsletter.
 
Ja, und dann haben die beiden noch zwei Steckenpferde: Sie lieben Musik, vor allem Jazz - sie spielt Bass, er Saxofon, Flöte und auch mal Klavier. Die Spielfreude kann auch in einen kleinen Hausmusikabend zu zweit münden. "Natürlich nur mit geschlossenem Fenster", sagt die Hausherrin. Ob Pauline Schmidt, die Katze, es goutiert, ist offen ...

Veröffentlicht in der SZ vom 16. Oktober 2020 (Fotos: Georgine Treybal)    >>> WEITERLESEN 

1. Juli 2020

Von Menschen und Straßen - Eine Ausstellung im Tutzinger Ortsmuseum


"Auf Schritt und Tritt begegnet man ihren Namen auf den Straßenschildern in Tutzing. Einige von ihnen sind allen bekannt, bei anderen fragt man sich unwillkürlich: Wer ist oder war das denn? Es sind Menschen, die viel Gutes für die Gemeinde getan und darum eigene Straßennamen erhalten haben, oder auch zu Lebzeiten geschmäht und erst posthum geehrt wurden. Die neue Ausstellung im wiedereröffneten Ortsmuseum Tutzing spürt unter dem Titel "Große Namen - Kleine Straßen" den Lebensgeschichten von Bürgern nach, deren Namen die Straßenschilder des Ortes zieren: mal sind es Künstler, Literaten und Wissenschaftler, mal Bürgermeister, Gemeinderäte, Unternehmer oder ganz einfach besondere Menschen.

Barbara van Benthem und Eberhard Köstler haben die neue Schau gemeinsam kuratiert. Die Eheleute, beide international tätige Antiquare, die sich auf handschriftliche Dokumente spezialisiert haben, befassen sich in ihrer Freizeit seit Jahren auch viel mit der Geschichte des eigenen Ortes und haben unter der Regie von Gernot Abendt bereits mehrere Ausstellungen im Ortsmuseum konzipiert. Mit der neuen Präsentation, zu der Abendt viele Exponate aus dem eigenen Fundus beigesteuert hat, verabschiedet sich der 76-jährige ehemalige SPD-Gemeinderat nach zehn Jahren als Museumsbeauftragter offiziell. Doch zuvor geht es noch auf einen gemeinsamen Ausstellungsrundgang mit ihm und den beiden Kuratoren ..."

-->> WEITERLESEN 

Ein schöner Artikel von Sabine Bader in der Süddeutschen Zeitung über unsere Ausstellung im Tutzinger Ortsmuseum (Fotos: Arlet Ulfers):

Große Namen - Kleine Straßen
Eine Ausstellung im Ortsmuseum Tutzing

Zu sehen bis 2021 bis zum 10. Januar 2021 an jedem Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr

Der Besuch lohnt sich!

14. Mai 2020

Lohengrin und Der Fliegende Holländer


Wagner, Richard, Komponist (1813-1860). Eigenh. Brief mit U. "Rich. Wagner". Baden-Baden, 17. VIII. 1860. Kl.-4°. 3 Seiten. Mit eigenh. adressiertem Umschlag.

€ 9000,-

Ungedruckter, außerordentlich seltener, sehr ausführlicher und detailreicher Brief, kurz nach Wagners Rückkehr aus dem Exil, am Tag der Audienz bei Augusta von Preußen, die sich für ihn eingesetzt hatte. An Wagners "alten Dresdner Freund" (Glasenapp) Adolf Julius Rühlemann in Dresden, u. a. über die Partitur des "Fliegenden Holländers" und "Lohengrin":


"[...] In Darmstadt traf ich nämlich die Abmachung wegen des fliegenden Holländers. Seien Sie doch so gut, zu betreiben, dass baldmöglichst eine berichtigte Partitur des 'fliegenden Holländers' an die grossherzogl. Hoftheaterdirection in Darmstadt abgesandt werde. Die an Herrn Mehner zu erstattenden Copiekosten werde ich demselben sofort nach erhaltener Bemerkung anweisen. Das von mir eigenhändig eingerichtete Muster-Exemplar gehört mir [...]. Mit meinen Abmachungen mit Herrn H. Müller habe ich jedoch diesem ein Exemplar mit dieser Partitur zur Disposition zu überlassen: Somit möge dieses Exemplar als zu dessen Disposition stehend betrachtet werden. Ist sonst gar kein Exemplar mehr vorhanden? Jedes andre Exemplar würde nämlich als mein Eigenthum zu betrachten sein. - Bitten Sie doch auch Herrn Müller, der Zusendung der Partitur an die Darmstädter Intendanz zwei Exemplare des Klavierauszuges derselben Oper beizulegen, welche mit dem gewöhnlichen Rabatt der Musikhändler unter sich, also mit 4 Thaler per Exempl. berechnet werden möchten [...]. Herrn Km Rietz's Wünsche in bezug auf einige tempi des Lohengrin wüsste ich nicht füglich zu entsprechen: die bestimmteste Erfahrung hat mir gezeigt, dass denjenigen Dirigenten, der das richtige Tempo nicht schliesslich von selbst fühlt, dieser durch keinerlei Metronom auch beigebracht werden kann. Irrthum  ist hier zu leicht, und da, wo es um ein sehr feines mehr oder weniger ankommt, kann nichts entscheiden, als das eigene Gefühl. [...] Ueber den Character der mir wiederfahrenen Vergünstigung sind Sie nun wohl völllig aufgeklärt, und wissen, dass ich von der Sächsischen Regierung keinesweges amnestiert bin, sondern von ihr nur die Zusicherung erhalten habe, unter bestimmten Bedingungen gegen meinen Aufenthalt in den andren deutschen Bundesstaaten keine Schwierigkeiten erheben zu wollen. Damit ist an ein Wiedersehen in Dresden sobald wohl noch nicht zu denken [...]".

Am 22. Juli 1860 erfuhr Wagner vom sächsischen Gesandten in Paris von der am 15. Juli durch König Johann I. von Sachsen verfügten Teilamnestie, die Wagner zumindest den Aufenthalt in den nichtsächsischen Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes ermöglichte. Am 12. August, fünf Tage vor dem Verfassen des vorliegenden Briefes, "überschreitet Wagner erstmals seit 1849 die deutschen Grenzen und trifft in Bad Soden ein" (Gregor-Dellin). am 16. August besuchte er Darmstadt, worüber er hier berichtet, am 17. August wurde er in Baden-Baden von Augusta von Preußen empfangen, bei der erisch für deren Mithilfe an der Amnestie bedankt.  - Wagner vollendete die Urfassung seiner Oper "Der fliegende Holländer" 1841. Die Uraufführung fand am 2. Januar 1843 in Dresden statt, aber schon nach 4 Aufführungen wurde das Stück wieder vom Spielplan genommen. 1860 überarbeitete Wagner die Urfassung, insbesondere Ouvertüre und Schluss. - Der Komponist und Dirigent Julius Rietz (1812-1877) war ein vehementer Gegner der sogenannten 'Neudeutschen Schule' bzw. der 'Zukunftsmusik', die insbesondere von Richard Wagner und Franz Liszt vertreten wurde. Nach einer nicht sehr erfolgreichen Lohengrin-Aufführung 1854 in Leipzig trat Rietz von seinen dortigen Ämtern zurück und widmete sich nur noch dem Komponieren und der Herausgabe von Werken, u. a. von Mendelssohn und Mozart.

Vgl. WBV 2826 (listet Auktionen) und Amtmann 1411 (kennt den Brief nicht: "ergibt sich aus 1412"); zu Wagner und Rühlemann vgl. Glasenapp, Das Leben Richard Wagners, Bd. III, S. 330; Martin Gregor-Dellin, Wagner Chronik, München 1972, S. 93.  (53088) 

---> Interesse?

25. Februar 2020

Albert Einstein - Zwei Stühle und eine Weltformel


Einstein, Albert, Physiker und Nobelpreisträger (1879-1955). Eigenh. Brief mit U. "Papa". (Paris), 8. XI. 1929. 4°. 2 Seiten, auf einem Doppelblatt. In adressiertem Umschlag. 

15.000 €

Außerordentlich schöner und sehr inhaltsreicher Brief an seinen Sohn Albert in Dortmund, einen Tag vor der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Paris, wo er in einem Vortrag seine neuesten Forschungen zur "Weltformel" vorstellte:

"[...] Ich bin gerade in Paris, um den Dr. h.c. zu kriegen und ein paar Vorträge zu halten. Auf der Rückreise möchte ich mich, wenn irgend möglich, d.h. wenn ich nicht ganz kaput bin, mich bei Euch eine Nacht aufhalten. ich komme in diesem Falle am 14. XI. um 6h28 Abends in Dortmund an. Am 15. 9h10 kann ich dann wieder weiterfahren. Schreib mir Eure Adresse, die ich gerade nicht da haben hierher (Legation d'Allemagne Rue de Lille 78.) Vor der Hand zwei Dinge. 1) Der Patent-Altmeister Seligsohn fordert Dich auf ihn zu besuchen, wenn Du nach Berlin kommst. Dies ist wichtig, weil er die wirklichen und nicht nur die offziellen Wege kennt. 2) Wir hätten Stühle für Euch, die früher in unserer Züricher Wohnung waren. 2 oder so [... mit Zeichnung] etwa so aber etwas schlanker. Vielleicht erinnerst Du Dich. 3) Herr Prof. [Ludwig] Hopf an der technischen Hochschule in Aachen, der Dir einmal eine wunderbare Eisenbahn geschenkt hat, als Du klein warst, lässt Dich und Deine Frau bitten, ihn einmal dort zu besuchen. Ich weiss nicht, ob dies für Dein Teufels-Fahrzeug in Betracht kommt als Ausflug. Jetzt muss ich dann gleich aufs Trapez und im Inst. Poincaré über meine neue Theorie französisch vortragen. Es wird eine infernalische Strapaze sein. Und ich habe fast eine Woche solcher Art vor mir! [...]".


Einstein wurde am 9. November 1929 die Ehrendoktorwürde der Pariser Sorbonne verliehen. Schon im April 1929 hatte er seine hier erwähnte "neue Theorie" in einer Sitzung der Preussischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt. In Paris nun referierte er nochmals vor einem breiteren Publikum über seine "einheitliche Feldtheorie", die Suche nach der sog. "Weltformel", die Einsteins Forschen in den kommenden Jahren beherrschen sollte. 

Sein Sohn Hans Albert Einstein (1904-1973) stammt aus der ersten Ehe mit Mileva Maric (1875-1948). Wie sein Bruder Eduard litt er sehr unter der Trennung der Eltern (1914), nach der die Söhne bei der Mutter in Zürich blieben, während Einstein in Berlin lebte. Der Vater besuchte seine Söhne weiterhin, trotzdem galt deren Verhältnis zueinander lange als gestört, was sich aber im Laufe der Zeit besserte. Nach seinem Diplom der Ingenieurwissenschaften an der ETH Zürich 1926 arbeitete Hans Albert Einstein zunächst als Ingenieur für Stahlbau in Dortmund. 1927 heiratete er Frieda Knecht. Später ging er an die Universität nach Berkeley.  Ludwig Hopf (1884-1939) arbeitete als Assistent Albert Einsteins an der Universität Zürich. Da Hopf ein guter Pianist war, musizierten Einstein und Hopf häufig miteinander. Hopf beschäftigte sich mit der Psychoanalyse und war ein Schüler C. G. Jungs, den er auch mit Einstein bekannt machte. 1911 kam Hopf an die Technische Hochschule Aachen. Beim von Einstein erwähnten "Patent-Altmeister" handelt es sich wohl um den Juristen und Patentanwalt Julius Ludwig Seligsohn (1890-1942).  (52845)

--> Interesse?