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20. Januar 2017

Ideale Liebe - Ideale Landschaft - Ideale Kunst

- von Barbara van Benthem -

Nackerte Barockengelchen in lasziven Posen, barbusige androgyne Schönheiten im Art Deco Ornament, sex without crime im Schäferidyll, und über allem schwebend ein gehörnter Ziegenbock ... Nein, man kann die Geschichte von Daphnis und Chloë auch ganz anders betrachten.


"Das Gedicht ist so schön, daß man den Eindruck davon, bei den schlechten Zuständen, in denen man lebt, nicht in sich behalten kann, und daß man immer von neuem erstaunt, wenn man es wieder liest." Goethe war in seinen Gesprächen mit Eckermann 1831 voll des Lobes für das Hirtengedicht des Longus, das er für ein Meisterwerk hielt, "worin Verstand, Kunst und Geschmack auf ihrem höchsten Gipfel erscheinen, und wogegen der gute Virgil freilich ein wenig zurücktritt".


"Daphnis und Chloë" ist das einzig bekannte Werk des griechischen Dichters Longus, das dieser gegen Ende des 2. Jahrhunderts auf der Insel Lesbos geschrieben haben soll, und zugleich die erste große bukolische Liebesgeschichte. Das Schäferidyll handelt von der erwachenden körperlichen Liebe der Findelkinder Daphnis und Chloë in einer heilen Welt. "Keine Spur von trüben Tagen, von Nebel, Wolken und Feuchtigkeit, sondern immer der blaueste, reinste Himmel, die anmutigste Luft und ein beständig trockener Boden, so daß man sich überall nackend hinlegen möchte. Das ganze Gedicht verrät die höchste Kunst und Kultur ... und eine Vollkommenheit und Delikatesse der Empfindung,die sich dem Besten gleichstellt, das je gemacht worden." Derart goetheanisch hochgelobt hatte "Daphnis und Chloë" 1831 längst den Siegeszug durch Malerei, Musik und Literatur angetreten.
1559 übersetzte Jacques Amyot "Daphnis und Chloë" ins Französische, worauf der Roman zur Grundlage der Schäferidyllen des Barocks und aller weiteren künstlerischen Adaptionen wurde. Bekannt sind heute die musikalischen Bearbeitungen von Maurice Ravel und Jacques Offenbach oder die herrlichen Malereien und Graphiken von Marc Chagall und Aristide Maillol. Auch eine Verfilmung gab es schon 1931 mit dem ersten griechischen Kinoklassiker von Orestis Laskos, dessen Nacktszenen für Furore sorgten. Vom 18. bis ins 20. Jahrhundert schufen Illustratoren, Typographen, Drucker und Buchbinder wie Philippe d'Orléans, Henri le Riche, Renée Sintenis, Otto Hettner, die Brüder Kleukens oder Susan Allix bibliophile Meisterwerke, in denen sie die Auffassung von idealer Liebe in idealer Landschaft nach den Vorgaben der idealen Kunst ihrer Zeit in Buchform brachten. Die beiden Liebenden auf Lesbos haben so auch ein Kapitel der Bibliophilie geschrieben. Dass ihre Geschichte "in der Altertumswissenschaft bis vor wenigen Jahrzehnten als voyeuristisch, ja sogar als pornographisch betrachtet wurde, dürfte seiner Popularität [dabei] eher genutzt als geschadet haben."



Der Graphiker Werner P. Hoffmann war ein leidenschaftlicher Sammler, der sich den verschiedensten Sujets gewidmet hat. Eine seiner Vorlieben galt "Daphnis und Chloë". Ihm und seiner Frau sei der Katalog zugeeignet, in dem wir einige der schönsten buchkünstlerischen Arbeiten über die ideale Liebe in idealer Landschaft vorstellen.


Daphnis und Chloë - Aus der Sammlung Werner P. Hoffmann. Katalog 160B. Eberhard Köstler Autographen & Bücher oHG. Tutzing, Januar 2017. Mit vielen Illustrationen. 

Gedruckter Katalog auf Anfrage, PDF-Katalog zum Download hier.