Herzlichen Dank an Alexander Rauch für die Zusendung dieses wunderbaren Gedichtes:
Ihr Angebot beglückt stets köstlich,
die Briefe, östlich oder westlich,
und erst die vielen Autografen,
die jeden Grafen lügenstrafen,
der schrieb, als es noch kein Auto gab,
und dennoch Auto-Graf sich nennt.
Die Namen, die man weltweit kennt
sie liegen meist schon längst im Grab.
Ihr Geist jedoch, der geistert rum
noch immer bei dem Publikum,
das sammelt, selbst kaum weiß, warum.
Doch wer solch graues, altes Blatt
in den noch jüngern Händen hat,
das Goethe, Mozart, Meyerbeer
manch Künstler - oder sonst noch wer -
dereinst mit Herzensblut beschrieben,
der riecht am Duft der welken Blätter,
schließt die Augen, denkt, als hätt er
diesen Großen selbst beglückt
ehrfurchtsvoll die Hand gedrückt.
19. Dezember 2018
24. September 2018
Kleider machen Autographen
"Während seines Aufenthalts in Hiddensee schrieb Hauptmann an seinen Berliner Schneider und bat ihn, zwei bestellte Anzüge bis zu einem bestimmten Termin zur Anprobe fertig zu machen. Der biedere Handwerksmeister antwortete nicht. Hauptmann, in Sorge, der Brief möchte verlorengegangen sein, schrieb ein zweites Mal und liess, als der Schneider immer noch nichts von sich hören liess, noch ein drittes Schreiben vom Stapel. Auf der Rückreise betrat er mit etlichen Zornesfalten auf der Stirn das Atelier Meister Zwirns, schlug auf den Tisch und begehrte zu wissen, weshalb man seine wiederholten Anfragen nicht einmal einer Antwort für wert halte. Der Schneider senkte verlegen den Kopf:
'Je öfter Sie mir schreiben, um so besser. Andere Leute sammeln Briefmarken', sagte er, 'und ich sammle Ihre Briefe. Es ist alles zur Anprobe bereit, aber sehen Sie: An Ihren Briefen verdiene ich weit mehr als an den beiden Anzügen!'"
Karl Rauch, Heiteres aus der Welt des Buches. Stuttgart undZürich 1962, S. 44.
'Je öfter Sie mir schreiben, um so besser. Andere Leute sammeln Briefmarken', sagte er, 'und ich sammle Ihre Briefe. Es ist alles zur Anprobe bereit, aber sehen Sie: An Ihren Briefen verdiene ich weit mehr als an den beiden Anzügen!'"
Karl Rauch, Heiteres aus der Welt des Buches. Stuttgart undZürich 1962, S. 44.
24. Juli 2018
Analoge Autographen - online bestellen
- von Barbara van Benthem -
Über 5000 seltene Briefe und Manuskripte berühmter Persönlichkeiten sowie zahlreiche preiswerte Sonderangebote, ab sofort in unserem ONLINE-SHOP.
Wir danken dem Weltanschauungsobjekt, der Grille und vor allem Karsten Gnettner und dem Trio Nautico für die wunderbare Musik zum Video.
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20. Juni 2018
Mit Goethe gegen das Ende der Tinte
- von Eberhard Köstler -
„Das Ende der Tinte. Das Schreiben mit Stift auf Papier ist eine sterbende Kulturtechnik“, lautete die Überschrift eines Leitartikels von Katrin Blawat in der 'Süddeutschen Zeitung' vom 10. März 2018 (Nr. 58, S. 40). Dort heißt es: „Wie eine vom Aussterben bedrohte Tierart, die nur noch in abgeschiedenen Ecken ihres einst ausgedehnten Lebensraums überlebt, so behauptet sich auch das Handgeschriebene nur noch in wenigen Winkeln des Alltags.“ Bei so viel Endzeitpoesie tut es gut, einen Blick zurück zu tun, also in jene gar nicht so graue Vorzeit, als die Handschrift nicht vom Aussterben bedroht, sondern das hauptsächliche Kommunikationsinstrument der gebildeten Welt war.
Seit der Zeit des Humanismus haben sich Menschen bemüht, eine zu ihrem Wesen passende unverwechselbare Handschrift zu entwickeln, um für ihre Gedanken ein adäquates Ausdrucksmittel jederzeit 'zur Hand' zu haben. Der Empfänger von Briefen und Manuskripten konnte so noch vor der Lektüre auf den ersten Blick erkennen, von wem er da angesprochen wurde. Der unverwechselbare persönliche Eindruck, den ein handgeschriebenes Blatt ausstrahlt, bewegt bis heute den Sammler von historischen und zeitgenössischen Handschriften. Das gilt auch und besonders für den prominenten Autographensammler Goethe, aus dessen wohlgeordneter und geliebter Sammlung das Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv und das Frankfurter Goethe-Museum in den Jahren 2015 und 2016 eine ansprechende Ausstellungsreihe gestalteten. Zu den einzelnen Ausstellungen erschienen keine Kataloge; umso schöner ist es, dass die gesammelten Texte zu den Exponaten zusammen mit deren hochwertigen farbigen Reproduktionen nun gesammelt als Buch vorliegen.
Die Maximilian-Gesellschaft und der Wallstein Verlag haben für eine mustergültige Gestaltung durch Claudia Rupp Sorge getragen. Auf gegenüberliegenden Seiten werden 60 ausgewählte Briefe und Manuskripte in erläuternden Texten und Abbildungen vorgestellt. Sie sind durch ein Personenregister mit knappen biographischen Angaben erschlossen; ein beiliegendes Heft (52 S.) gibt die Texte der Autographen vollständig und so weit als möglich zeichengenau wieder. Das Buch eignet sich dadurch auch als Übungslektüre zum Erlernen älterer Schriftformen. Der einleitende Text von Bernhard Fischer gibt eine instruktive Einführung in die Geschichte des Autographensammelns und der Stammbuchmode bis hin zur Geschichte, Methodik und zum Aufbau von Goethes eigener Sammlung. Zwar hat Hans-Joachim Schreckenbach bereits 1961 einen „in Teilen überholten“ Katalog von Goethes Autographensammlung herausgebracht und Günther Mecklenburg hat 1963 die Sammlung in seinem Standardwerk 'Vom Autographensammeln' eingehend anhand von Briefen und Gesprächen Goethes dargestellt. Aber worauf kam es Goethe an? 1812 schrieb er an Fritz Jacobi: „Da mir die sinnliche Anschauung durchaus unentbehrlich ist, so werden mir vorzügliche Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische Weise vergegenwärtigt.“ Dem Leser und Betrachter des Buches 'Aus Goethes Autographensammlung' wird diese magische Weise der Vergegenwärtigung mit jedem Stück vor Augen geführt. Das kann nur durch das Sammeln und Besitzen von Originalhandschriften noch übertroffen werden. Wer weiß, vielleicht regt das Buch manchen Leser an, sich als Autographensammler in Goethes Tradition zu stellen und das 'Ende der Tinte' so noch hinauszuschieben?
Aus Goethes Autographensammlung. Hrsg. vom Goethe- und Schiller-Archiv und vom Freien Deutschen Hochstift. Hamburg: Maximilian-Gesellschaft / Göttingen: Wallstein 2017. 172 S., Abb., geb., 58 Euro, ISBN 978-3-921743-66-9 (Maximilian-Gesellschaft) und 978-3-8353-3106-8 (Wallstein)
Veröffentlicht in → Aus dem Antiquariat 2/2018.
„Das Ende der Tinte. Das Schreiben mit Stift auf Papier ist eine sterbende Kulturtechnik“, lautete die Überschrift eines Leitartikels von Katrin Blawat in der 'Süddeutschen Zeitung' vom 10. März 2018 (Nr. 58, S. 40). Dort heißt es: „Wie eine vom Aussterben bedrohte Tierart, die nur noch in abgeschiedenen Ecken ihres einst ausgedehnten Lebensraums überlebt, so behauptet sich auch das Handgeschriebene nur noch in wenigen Winkeln des Alltags.“ Bei so viel Endzeitpoesie tut es gut, einen Blick zurück zu tun, also in jene gar nicht so graue Vorzeit, als die Handschrift nicht vom Aussterben bedroht, sondern das hauptsächliche Kommunikationsinstrument der gebildeten Welt war.
Seit der Zeit des Humanismus haben sich Menschen bemüht, eine zu ihrem Wesen passende unverwechselbare Handschrift zu entwickeln, um für ihre Gedanken ein adäquates Ausdrucksmittel jederzeit 'zur Hand' zu haben. Der Empfänger von Briefen und Manuskripten konnte so noch vor der Lektüre auf den ersten Blick erkennen, von wem er da angesprochen wurde. Der unverwechselbare persönliche Eindruck, den ein handgeschriebenes Blatt ausstrahlt, bewegt bis heute den Sammler von historischen und zeitgenössischen Handschriften. Das gilt auch und besonders für den prominenten Autographensammler Goethe, aus dessen wohlgeordneter und geliebter Sammlung das Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv und das Frankfurter Goethe-Museum in den Jahren 2015 und 2016 eine ansprechende Ausstellungsreihe gestalteten. Zu den einzelnen Ausstellungen erschienen keine Kataloge; umso schöner ist es, dass die gesammelten Texte zu den Exponaten zusammen mit deren hochwertigen farbigen Reproduktionen nun gesammelt als Buch vorliegen.
Die Maximilian-Gesellschaft und der Wallstein Verlag haben für eine mustergültige Gestaltung durch Claudia Rupp Sorge getragen. Auf gegenüberliegenden Seiten werden 60 ausgewählte Briefe und Manuskripte in erläuternden Texten und Abbildungen vorgestellt. Sie sind durch ein Personenregister mit knappen biographischen Angaben erschlossen; ein beiliegendes Heft (52 S.) gibt die Texte der Autographen vollständig und so weit als möglich zeichengenau wieder. Das Buch eignet sich dadurch auch als Übungslektüre zum Erlernen älterer Schriftformen. Der einleitende Text von Bernhard Fischer gibt eine instruktive Einführung in die Geschichte des Autographensammelns und der Stammbuchmode bis hin zur Geschichte, Methodik und zum Aufbau von Goethes eigener Sammlung. Zwar hat Hans-Joachim Schreckenbach bereits 1961 einen „in Teilen überholten“ Katalog von Goethes Autographensammlung herausgebracht und Günther Mecklenburg hat 1963 die Sammlung in seinem Standardwerk 'Vom Autographensammeln' eingehend anhand von Briefen und Gesprächen Goethes dargestellt. Aber worauf kam es Goethe an? 1812 schrieb er an Fritz Jacobi: „Da mir die sinnliche Anschauung durchaus unentbehrlich ist, so werden mir vorzügliche Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische Weise vergegenwärtigt.“ Dem Leser und Betrachter des Buches 'Aus Goethes Autographensammlung' wird diese magische Weise der Vergegenwärtigung mit jedem Stück vor Augen geführt. Das kann nur durch das Sammeln und Besitzen von Originalhandschriften noch übertroffen werden. Wer weiß, vielleicht regt das Buch manchen Leser an, sich als Autographensammler in Goethes Tradition zu stellen und das 'Ende der Tinte' so noch hinauszuschieben?
Aus Goethes Autographensammlung. Hrsg. vom Goethe- und Schiller-Archiv und vom Freien Deutschen Hochstift. Hamburg: Maximilian-Gesellschaft / Göttingen: Wallstein 2017. 172 S., Abb., geb., 58 Euro, ISBN 978-3-921743-66-9 (Maximilian-Gesellschaft) und 978-3-8353-3106-8 (Wallstein)
Veröffentlicht in → Aus dem Antiquariat 2/2018.
23. Mai 2018
Die Welt von Gottfried Benn
- von Barbara van Benthem -
Briefe sind etwas Besonderes. Sie offenbaren die Persönlichkeit ihres Schreibers, öffnen ein historisches Fenster in dessen Lebens-, Arbeits-, Gefühls- und Gedankenwelt. Wer wissen möchte, ob Hermann Hesse gute oder schlechte Laune hatte, lese seine Briefe. Kann man sie kaum entziffern, klagt Hesse über den mäßigen Zustand seiner Augen, lautet der Subtext: Man bittet von Besuchen und allen weiteren mitmenschlichen Zudringlichkeiten abzusehen. Die Briefe Thomas Manns werden in zunehmendem Alter leserlicher. Als ob er sich seiner Bedeutung für die Nachwelt mit wachsendem Ruhm bewusst wird, wechselt TM von der deutschen Kurrent- in die lateinische Schreibschrift, und lässt uns teilhaben am Dichteralltag.
Die Welt von Gottfried Benn zwischen „Sputnik“, „Erdumkreisung“ und „Cro Magnon“ erschließt sich in unserem neuen Katalog nicht nur über die Briefe und Manuskripte des Dichters, vielmehr sind es die Briefe von FreundInnen und Weggefährten, die überraschende Erinnerungen und Einschätzungen zu Leben, Werk und Umfeld – ja, auch zu den Frauen in seinem Leben – geben. Da wird Benns dritte Ehefrau Ilse vor der gemeinsamen Berliner Haustür wegretuschiert. „"Er litt entsetzlich unter der Dänin", berichtet Elsa Fleischmann-Fleming. Dorothee Hahn diagnostiziert Benns Annäherungsversuche als "weiblich-passiv-aesthetische Reizung und männlich-lyrisch-aktive Reaktion". Trug Benn eine Mitschuld am Selbstmord von Anni Bernstein? Was verband ihn mit Pia Ludwig? „Herr Oelze“ findet Benn-Gedichte, und Paul Lüth weiß: "diese Benn'sche Welt ist die Welt des Rauschgiftes“.
Ein brieflicher Kosmos tut sich auf, so wie man ihn heute wohl nur in Form kryptischer Kurznachrichten in einer WhatsApp-Gruppe finden würde. Möglich gemacht hat dies Marguerite Schlüter, Benns Lektorin und Verlegerin, Herausgeberin seiner Briefe und Briefwechsel, die Instanz in Sachen Gottfried Benn, der Carsten Pfeiffer ein Denkmal mit dem Nachwort zu unserem Katalog gesetzt hat.
Femme des lettres - Marguerite Schlüter 1928 bis 2018
Marguerite Valerie Schlüter, geboren am 23. April 1928, war eine in vielfacher Hinsicht bemerkenswerte, wenn nicht gar einzigartige Persönlichkeit. In jungen Jahren vertrat sie als Mitglied der Hockey-Nationalmannschaft mehrfach die Bundesrepublik bei Länderspielen. Eine zweite Leidenschaft galt der bildenden Kunst wie intensive Kontakte zu Künstlern sowie ihre bedeutende private Sammlung mit Werken von der Antike bis zur zeitgenössischen Graphik von Arp, Masson, Max Peiffer-Watenpuhl, Hans Purrmann, Emil Cimiotti u.a. belegen. Ihre größte Leidenschaft aber galt der Literatur. Entdeckt und gefördert hat ihr Talent Max Niedermayer. Literaturhistorische Bedeutung gewann die mit Bestnote ausgebildete Diplom-Bibliothekarin mit ihrem Eintritt in den 1945 von Niedermayer in Wiesbaden gegründeten Limes Verlag. Dort avancierte sie seit 1949 schnell zur rechten Hand des Verlegers, zur Prokuristin und alleinigen Lektorin Gottfried Benns. Hatte der Limes Verlag in den ersten Nachkriegsjahren wie viele andere Verlage zunächst „unkritische“ und im Sinne der lizenzgebenden Besatzungsmächte politisch unbedenkliche Autoren wie Goethe, Kant, Heine oder Wieland und wichtige ausländische Autoren wie William Faulkner, John Steinbeck, Virginia Woolf, Jean Giraudoux, Rimbaud und Jean Cocteau verlegt, erschienen nun rasch auch Texte von Hermann Kesten, Ernst Glaeser, Alfred Döblin, des jungen Hans Mayer, von Stephan Hermlin und anderen. Seit 1949 wurde Gottfried Benn zum Haus- und Hauptautor des Limes Verlages. Alle (Erst-) Ausgaben der von Benn zwischen 1933 und 1945 geschriebenen, aber unveröffentlichten Werke wurden von Marguerite Schlüter lektoriert, viele Werk- und Auswahlausgaben, die Briefwechsel Benns (erschienen bei Limes und später Klett- Cotta) von ihr mitkonzipiert, kompiliert, redigiert oder herausgegeben. Die Popularisierung und Verbreitung des Werkes Gottfried Benns nach 1949 ist im Wesentlichen das Verdienst des Verlegers Max Niedermayer und seiner Lektorin Marguerite Schlüter, die nach dem Tode des Verlegers die Verantwortung für den Verlag als geschäftsführende Gesellschafterin und Verlegerin übernahm.
Viele wichtige Autorinnen und Autoren trugen unter der Ägide Marguerite Schlüters zur Profilbildung des Limes Verlages als eines der führenden Verlage für junge deutsche und fremdsprachige Literatur bei. So unterschiedliche Autoren wie Hans Arp, Max Bense, Ludwig Harig, Samuel Beckett, Maude Hutchins, Guillaume Apollinaire, Claire und Ivan Goll, Jorge Luis Borges, Jean Cocteau, Rene Char , Ernesto Sabato, Richard Huelsenbeck, W. H. Auden, Milan Kundera und Ernst Meister gehören ebenso zum „Who is who“ des Limes Verlages wie Peter Rühmkorf, Werner Riegel oder Cyrus Atabay, die dort ihre Erstlingswerke veröffentlichten. Werke von Carl Einstein und August Stramm wurden neu aufgelegt. Besondere Verdienste erwarb sich der Limes Verlag um die damals zeitgenössische amerikanische Literatur. Truman Capote, den Marguerite Schlüter teilweise auch übersetzte, und William S. Burroughs wurden zu Hausautoren des Verlages. Autoren der Beat-Generation wie Allen Ginsberg oder Lawrence Ferlinghetti wurden bei Limes entdeckt. Henry Miller allerdings ließ sich Limes damals „durch die Lappen gehen“. Man hatte nach den Erfahrungen mit W. S. Burroughs große Sorgen wegen eines Vermarktungsverbotes durch die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“. Eine Anekdote, die Marguerite Schlüter gerne erzählte.
Marguerite Schlüter war wahrlich das, was man eine femme des lettres nennt – nicht nur eine hervorragende Lektorin Benns, sondern ein literarisches „Trüffelschwein“, eine streitbare Kämpferin für die Wahrung von Urheberrechten und eine vielsprachige, hervorragende Übersetzerin aus dem Englischen, Französischen und Italienischen. Dabei war sie nicht nur eine Freundin der Literatur, sondern auch eine enge Freundin vieler Literaten. Die langjährigen persönlichen (Brief-) Freundschaften - oft rund um Benn - mit Claire Goll, Gustav René Hocke, Albrecht Fabri, F.W. Oelze, Thea Sternheim, Ursula Haas, Hans Egon Holthusen, nicht zuletzt mit Ilse Benn und Nele Sörensen, der Witwe und der Tochter Gottfried Benns, belegen dies eindrücklich. Marguerite Schlüter ist am 7. Januar 2018 wenige Monate vor Vollendung ihres 90. Lebensjahres friedlich verstorben. Sie ist und bleibt untrennbar mit der bundesdeutschen Literatur- und Verlagsgeschichte verbunden.
Die Welt von Gottfried Benn - Nachlass Marguerite Schlüter. Katalog 178. Tutzing, Mai 2018. 68 Seiten. 173 Nummern. Mit einem Nachwort von Carsten Pfeiffer.
Mehr dazu: www.autographs.de
Die Welt von Gottfried Benn zwischen „Sputnik“, „Erdumkreisung“ und „Cro Magnon“ erschließt sich in unserem neuen Katalog nicht nur über die Briefe und Manuskripte des Dichters, vielmehr sind es die Briefe von FreundInnen und Weggefährten, die überraschende Erinnerungen und Einschätzungen zu Leben, Werk und Umfeld – ja, auch zu den Frauen in seinem Leben – geben. Da wird Benns dritte Ehefrau Ilse vor der gemeinsamen Berliner Haustür wegretuschiert. „"Er litt entsetzlich unter der Dänin", berichtet Elsa Fleischmann-Fleming. Dorothee Hahn diagnostiziert Benns Annäherungsversuche als "weiblich-passiv-aesthetische Reizung und männlich-lyrisch-aktive Reaktion". Trug Benn eine Mitschuld am Selbstmord von Anni Bernstein? Was verband ihn mit Pia Ludwig? „Herr Oelze“ findet Benn-Gedichte, und Paul Lüth weiß: "diese Benn'sche Welt ist die Welt des Rauschgiftes“.
Ein brieflicher Kosmos tut sich auf, so wie man ihn heute wohl nur in Form kryptischer Kurznachrichten in einer WhatsApp-Gruppe finden würde. Möglich gemacht hat dies Marguerite Schlüter, Benns Lektorin und Verlegerin, Herausgeberin seiner Briefe und Briefwechsel, die Instanz in Sachen Gottfried Benn, der Carsten Pfeiffer ein Denkmal mit dem Nachwort zu unserem Katalog gesetzt hat.
Femme des lettres - Marguerite Schlüter 1928 bis 2018
Marguerite Valerie Schlüter, geboren am 23. April 1928, war eine in vielfacher Hinsicht bemerkenswerte, wenn nicht gar einzigartige Persönlichkeit. In jungen Jahren vertrat sie als Mitglied der Hockey-Nationalmannschaft mehrfach die Bundesrepublik bei Länderspielen. Eine zweite Leidenschaft galt der bildenden Kunst wie intensive Kontakte zu Künstlern sowie ihre bedeutende private Sammlung mit Werken von der Antike bis zur zeitgenössischen Graphik von Arp, Masson, Max Peiffer-Watenpuhl, Hans Purrmann, Emil Cimiotti u.a. belegen. Ihre größte Leidenschaft aber galt der Literatur. Entdeckt und gefördert hat ihr Talent Max Niedermayer. Literaturhistorische Bedeutung gewann die mit Bestnote ausgebildete Diplom-Bibliothekarin mit ihrem Eintritt in den 1945 von Niedermayer in Wiesbaden gegründeten Limes Verlag. Dort avancierte sie seit 1949 schnell zur rechten Hand des Verlegers, zur Prokuristin und alleinigen Lektorin Gottfried Benns. Hatte der Limes Verlag in den ersten Nachkriegsjahren wie viele andere Verlage zunächst „unkritische“ und im Sinne der lizenzgebenden Besatzungsmächte politisch unbedenkliche Autoren wie Goethe, Kant, Heine oder Wieland und wichtige ausländische Autoren wie William Faulkner, John Steinbeck, Virginia Woolf, Jean Giraudoux, Rimbaud und Jean Cocteau verlegt, erschienen nun rasch auch Texte von Hermann Kesten, Ernst Glaeser, Alfred Döblin, des jungen Hans Mayer, von Stephan Hermlin und anderen. Seit 1949 wurde Gottfried Benn zum Haus- und Hauptautor des Limes Verlages. Alle (Erst-) Ausgaben der von Benn zwischen 1933 und 1945 geschriebenen, aber unveröffentlichten Werke wurden von Marguerite Schlüter lektoriert, viele Werk- und Auswahlausgaben, die Briefwechsel Benns (erschienen bei Limes und später Klett- Cotta) von ihr mitkonzipiert, kompiliert, redigiert oder herausgegeben. Die Popularisierung und Verbreitung des Werkes Gottfried Benns nach 1949 ist im Wesentlichen das Verdienst des Verlegers Max Niedermayer und seiner Lektorin Marguerite Schlüter, die nach dem Tode des Verlegers die Verantwortung für den Verlag als geschäftsführende Gesellschafterin und Verlegerin übernahm.
Viele wichtige Autorinnen und Autoren trugen unter der Ägide Marguerite Schlüters zur Profilbildung des Limes Verlages als eines der führenden Verlage für junge deutsche und fremdsprachige Literatur bei. So unterschiedliche Autoren wie Hans Arp, Max Bense, Ludwig Harig, Samuel Beckett, Maude Hutchins, Guillaume Apollinaire, Claire und Ivan Goll, Jorge Luis Borges, Jean Cocteau, Rene Char , Ernesto Sabato, Richard Huelsenbeck, W. H. Auden, Milan Kundera und Ernst Meister gehören ebenso zum „Who is who“ des Limes Verlages wie Peter Rühmkorf, Werner Riegel oder Cyrus Atabay, die dort ihre Erstlingswerke veröffentlichten. Werke von Carl Einstein und August Stramm wurden neu aufgelegt. Besondere Verdienste erwarb sich der Limes Verlag um die damals zeitgenössische amerikanische Literatur. Truman Capote, den Marguerite Schlüter teilweise auch übersetzte, und William S. Burroughs wurden zu Hausautoren des Verlages. Autoren der Beat-Generation wie Allen Ginsberg oder Lawrence Ferlinghetti wurden bei Limes entdeckt. Henry Miller allerdings ließ sich Limes damals „durch die Lappen gehen“. Man hatte nach den Erfahrungen mit W. S. Burroughs große Sorgen wegen eines Vermarktungsverbotes durch die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“. Eine Anekdote, die Marguerite Schlüter gerne erzählte.
Marguerite Schlüter war wahrlich das, was man eine femme des lettres nennt – nicht nur eine hervorragende Lektorin Benns, sondern ein literarisches „Trüffelschwein“, eine streitbare Kämpferin für die Wahrung von Urheberrechten und eine vielsprachige, hervorragende Übersetzerin aus dem Englischen, Französischen und Italienischen. Dabei war sie nicht nur eine Freundin der Literatur, sondern auch eine enge Freundin vieler Literaten. Die langjährigen persönlichen (Brief-) Freundschaften - oft rund um Benn - mit Claire Goll, Gustav René Hocke, Albrecht Fabri, F.W. Oelze, Thea Sternheim, Ursula Haas, Hans Egon Holthusen, nicht zuletzt mit Ilse Benn und Nele Sörensen, der Witwe und der Tochter Gottfried Benns, belegen dies eindrücklich. Marguerite Schlüter ist am 7. Januar 2018 wenige Monate vor Vollendung ihres 90. Lebensjahres friedlich verstorben. Sie ist und bleibt untrennbar mit der bundesdeutschen Literatur- und Verlagsgeschichte verbunden.
Die Welt von Gottfried Benn - Nachlass Marguerite Schlüter. Katalog 178. Tutzing, Mai 2018. 68 Seiten. 173 Nummern. Mit einem Nachwort von Carsten Pfeiffer.
Mehr dazu: www.autographs.de
12. April 2018
Katalog 177 - "Mondmeer in Fenstern"
- von Barbara van Benthem -
"Ich möchte einsame Ruhe haben", danach sehnt sich Else Lasker-Schüler, W.G. Sebald spielt "Indianer" mit Herbert Achternbusch, für Ödön von Horváth sind Stierkämpfe "das widerlichste, ekelerregendste, was ich jemals gesehen habe". Thomas Mann ist "mit der Musik auf gutem Fuße" und Richard Strauss schwelgt in "Urlaub und Faulheit". Zweifellos, sobald das Wetter sonniger wird, wünschen wir uns Müßiggang und schöne Autographen. Von Letzteren bietet unser neuer Katalog 177 eine ganze Reihe äußerst seltener und interessanter Schriftstücke, darunter Briefe und Widmungsexemplare von Marie Curie, dem "ollen Chef" Erich Kästner, Rainer Maria Rilke, Max Nordau, Knut Hamsun, Edvard Grieg, C. F. Gellert, Stefan Zweig, Walter Benjamin, darüber hinaus Goethes Todesanzeige und eine absolute Rarität: ein seltener eigenhändiger Brief Voltaires, der eine Luxusausgabe des "Zadig ou La Destinée" trüffelt, gebunden in einen Meistereinband von Charles Meunier für den Büchersammler Fréderic Raisin. Schöner geht's nicht.
Mehr dazu in diesem Theater: www.autographs.de
"Mondmeer in Fenstern" - Schöne Autographen. Katalog 177. Tutzing, April 2018.
Mehr dazu in diesem Theater: www.autographs.de
22. März 2018
Liebesbriefe an ein "kleines Sexpony"
- von Barbara van Benthem -
Liebesbriefe an ein "kleines Sexpony", "unaufgelöste Dissonanzen", Freitod - "Am Baum der Menschheit drängt sich Blüth’ an Blüthe", schreibt Freiligrath in seinem Gedichtmanuskript und liefert damit den roten Faden, der fast alle der 86 angebotenen Briefe und Gedichtmanuskripte von Kurt Weill, Franz Liszt, Rainer Maria Rilke, C. F. Gellert, Edvard Grieg, Knut Hamsun, Conradin Kreutzer, Arno Schmidt, Igor Strawinsky, Ludwig Tieck, Else Lasker-Schüler (ungedruckt), Stefan Zweig u.v.a. durchzieht, die in Katalog 175 angeboten werden. Das menschliche Leben - und Schreiben - steckt voller Tragiken. Wernher von Braun gedenkt fern der Heimat seiner Heimat, Hans von Bülow befürchtet, "als Invalide auftreten zu müssen, der den löbl. philharmonischen Leierkasten dreht", Otto Hahn bekennt "Frl. Meitner habe ich auch angepflaumt" und Gottfried Keller liefert den aktuellen Wetterbericht: "unbeständig, zeitweise windig und regnerisch". Trotz oder gerade wegen dieses brieflich angesammelten alltäglichen Wahnsinns wünschen wir Ihnen ein Frohes Osterfest, endlich einen Frühlingsanfang und eine vergnügliche Lektüre unseren neuen Kataloges:
"O Sternenfall" - Briefe, Bücher, Gedichtmanuskripte. Katalog 175. Tutzing, März 2018. 36 Seiten.
Mehr dazu in diesem Theater: www.autographs.de.
Liebesbriefe an ein "kleines Sexpony", "unaufgelöste Dissonanzen", Freitod - "Am Baum der Menschheit drängt sich Blüth’ an Blüthe", schreibt Freiligrath in seinem Gedichtmanuskript und liefert damit den roten Faden, der fast alle der 86 angebotenen Briefe und Gedichtmanuskripte von Kurt Weill, Franz Liszt, Rainer Maria Rilke, C. F. Gellert, Edvard Grieg, Knut Hamsun, Conradin Kreutzer, Arno Schmidt, Igor Strawinsky, Ludwig Tieck, Else Lasker-Schüler (ungedruckt), Stefan Zweig u.v.a. durchzieht, die in Katalog 175 angeboten werden. Das menschliche Leben - und Schreiben - steckt voller Tragiken. Wernher von Braun gedenkt fern der Heimat seiner Heimat, Hans von Bülow befürchtet, "als Invalide auftreten zu müssen, der den löbl. philharmonischen Leierkasten dreht", Otto Hahn bekennt "Frl. Meitner habe ich auch angepflaumt" und Gottfried Keller liefert den aktuellen Wetterbericht: "unbeständig, zeitweise windig und regnerisch". Trotz oder gerade wegen dieses brieflich angesammelten alltäglichen Wahnsinns wünschen wir Ihnen ein Frohes Osterfest, endlich einen Frühlingsanfang und eine vergnügliche Lektüre unseren neuen Kataloges:
"O Sternenfall" - Briefe, Bücher, Gedichtmanuskripte. Katalog 175. Tutzing, März 2018. 36 Seiten.
Mehr dazu in diesem Theater: www.autographs.de.
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